Lieber A.,

seit einiger Zeit höre ich Podcasts. Eigentlich höre ich ganz regelmässig einen Podcast. Er gehört mittlerweile zu meiner Woche, zu meinen Routinen. Routinen mag ich, weil sie mir das Geländer sind, das mir Halt gibt in einer unübersichtlichen hochaggresiven und überkomplexen Welt. Mittwochs und sonntags höre ich also meinen Podcast, in dem 2 Personen über die Welt und das Leben sprechen und in der letzten Folge ging es dann tasächlich um das Thema Sterben und Tod. Im engsten Freundeskreis einer der beiden Hosts ist plötzlich und unerwartetet eine Person gestorben und es hat mich sehr berührt zu hören, wie beide – die ansonsten nun echt um keine Antwort verlegen sind – plötzlich keine Worte gefunden haben, wie beide nicht mehr wussten, was richtig und falsch im Umgang ist, was man sagt und wie man etwas sagt. Es hat mir wieder gezeigt, wie schwer es uns allen fällt, eine Zu- oder Umgang mit dem Thema zu finden. Wir üben uns darin auch sehr selten und nur, wenn wir es wirklich müssen. Und wenn wir betroffen sind, dann öffnet sich plötzlich ein so großer Raum, mit dem wir dann nicht umzugehen wissen und wenn einige Zeit ins Land geggangen ist, dann verschließen wir die Tür zu diesem Raum wieder fein säuberlich. Wir wissen zwar, dass es diesen Raum gibt, aber wir verdrängen ihn.

Vor vielen Jahren, als wir noch Teenager waren, habe ich dich in der Wohnung deiner Eltern besucht und du hast mich durch die Räume geführt. An einer Tür bist du stehen geblieben und hast gesagt: "Und das ist das Sterbezimmer." Ich war baff und erstarrte innerlich zur Salzsäule. Für dich war das ganz normal. Und dann hast du mit deinen 14 Jahren recht elegant darüber referiert, welche Tante und welche Oma in diesem Zimmer bereits gestorben ist.

Ich wollte das Zimmer auf keinen Fall betreten. Ich wusste, dass dahinter ein Raum liegt, von dem ich nichts wissen wollte.

Die Angst habe ich mittlerweile ein wenig verloren. Ich versuche den Raum nicht mehr zu verdrängen.

Erinnerst du dich?

Ich danke Dir für die Geduld.

Pass auf dich auf.

Deine

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