Liebe S.

Du bist wieder in Wien. Und arbeitest einmal mehr am Burgtheater an einer neuen Inszenierung. Spaß bloß nicht beiseite – denn das neue Stück dreht sich um den Zentralfriedhof und ist auch so betitelt.

Gesucht oder gefunden? Es soll wohl so sein. Es ist ja nicht das erste Mal, dass wir beide uns zum Zentralfriedhof austauschen. Überhaupt zu Friedhöfen. Und zum großen Tod.

Den Wienern und dem Tod wird ja eine ganz besondere Liaison nachgesagt. Und beim Ringelreihen des Morbiden ist der Zentralfriedhof mit seinem Heer an Ehrengräbern der große Festplatz. Der Tod ist immer auch ein Schauspiel.

In anderen Länder, dort wo die anderen Sitten herrschen, haben die anderen Kulturen andere Rituale.

In Ghana, Westafrika, werden fantastische bunte Särge gezimmert. Autos, Tiere, Turnschuhe, ach, alles was man sich denken kann. Traditionell haben diese figürlichen Kunstwerke oft mit dem Beruf des Verstorbenen zu tun. In jedem Fall sind es wahre Schmuckstücke, die bei der Beerdigung mit dem eingebetteten Leichnam unter der Erde verschwinden.

Mexikaner sind am ‚Dia de los Muertos‘ ganz bei sich. Sie ziehen mit Essen und Trinken auf den Friedhof und musizieren an den Gräbern, um mit den aus dem Jenseits zurückgekehrten Seelen der Verstorbenen zu feiern. Es ist ein freudiger und farbenfroher Feiertag.

Und in Wien? Bald verzieht sich der Zentralfriedhof, wenn’s Nacht wird über Simmering, in die Stadt, an den Ring, in die Burg. Und Du arbeitest daran mit, ihn auf die Bühne zu bringen. Vielleicht schaffe ich es ja nach Wien solange das Stück gegeben wird. Ich würde gerne sehen können, was für ein Spektakel Ihr daraus gemacht habt.

Bei der Gelegenheit gehe ich dann aber unbedingt noch ins Café Bräunerhof in der Stallburggasse. Denn das hat auch so einen unvergleichlich halblebendigen Charme, wenn Du verstehst, was ich meine.

Es lebe der Zentralfriedhof und alle seine Toten.

Ich wünsche viel Erfolg,

Dein A.

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