BRIEF #58
Lieber A, Deine S
Lieber A.,
es gibt Tage, an denen ich mich erwische. Ich denke an diesen Tagen, dass es mich vielleicht nicht erwischt. Ich denke dann, dass vielleicht in den kommenden Monaten, vielleicht Jahren ein Mittel erfunden wird, mit dessen Einnahme ich nicht betroffen sein werde. Oder eben ein Wunder: Ich sterbe einfach nicht. Das Universum hat mich vergessen und ich lebe und lebe. Und dann kommt doch die Gewissheit, dass es eine Tatsache ist. Unverrückbar. Unveränderlich. Definitiv. Basta.
An anderen Tagen bin ich vom Gegenteil geschüttelt. Kennst du das? Ich habe manchmal ein schlechtes Gewissen, wenn ich daran denke, dass Menschen in meinem engsten Umfeld sterben könnten. Sagen wir also, ich denke, wie unfassbar traurig es wäre, wenn die Person XY stürbe, einfach nicht mehr da wäre. Dann folgt ein unfassbar schlechtes Gewissen und ich denke dann im nächsten Schritt, dass es vollkommen klar ist, dass wenn Person XY in den nächsten Tagen stirbt, dies meine Schuld sein wird.
Wie auch immer. Es beschäftigt mich.
Kann ich irgendwann meinen Frieden mit dem Sterben machen oder macht jeder Mensch seinen Frieden mit dem Tot indem er stirbt?
Was denkst du?
Pass auf DIch auf!
Deine S.
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Ein fiktionalisierter Briefwechsel über den Tod und das Sterben von Andreas Kaufmann und Sabrina Zwach