Lieber A.,

heute schreibe ich Dir, weil ich über Karma nachgedacht habe über das spirituelle Konzept von Ursache und Wirkung und über unsere Briefe. 

Wenn Karma nämlich bedeutet, dass jede physische aber auch geistige Handlung eine Folge mit sich zieht, dann frage ich mich, welche Folgen auf uns zukommen werden? Ich weiß natürlich, dass diese Folge nicht zwingend in diesem Leben eintreten müssen, sondern sich auch erst in einem zukünftigen Leben manifestieren. Und da ich nicht an Wiedergeburt glaube, trifft mich dann auch nicht die Folge, das Karma?

Warum ich solche Gedankenkreise ziehe, liegt bestimmt daran, dass ich in einer geistigen Kultur aufgewachsen bin, in der das Thema Tod vermieden wurde.

Der Tod brach in diesen Raum immer ein. Brutal und ohne Vorankündigung stand er in unserer Familie. Kinder – Geschwister und Cousins – sind tragisch gestorben, viel zu früh. Eine Tante hat sich das Leben genommen, als ich recht klein war. Die Erwachsenen haben die Schäden zu beseitigen versucht, wie Spuren eines Einbruchs. Alles war irgendwann wieder heil. Und ich habe stets das Gefühl gehabt, dass wenn ich mich mit dem Tod beschäftige, dieser mich karmamässig finden wird. Ich weiß natürlich, dass das Quatsch ist, weil Karma kein Bestrafungssystem ist und ich auch nicht im Buddhismus verwurzelt bin. Aber dennoch gibt es einen Funken Aberglauben – ist es Aberglaube ? – der mir einredet, dass es ganz und gar ungesund ist, sich mit dem Tod zu beschäftigen.

Dir geht es anders, das weiß ich. Ich wollte es Dir aber einmal gestehen. Um die Angst zu verlieren.

Sei umarmt!

Deine S.

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