Lieber A.,

vor einigen Tagen wollte ich den Kurzfilm "Le petit Mort" von Francois Ozon sehen. Ich habe ihn nicht gefunden. Nirgends. Ich war mir ganz sicher, dass ich ihn irgendwo auf irgendeinem Datenträger hätte, aber nichts. Weg. Ich konnte mic nicht einmal mehr wirklich an die Handlung erinnern, auch weg. Ausgelöscht. Na gut, er ist auch über 20 Jahre alt der kurze Film und eben ein Kurzfilm und mein Hirn braucht vielleicht Platz? Es gibt Erinnerungen, die erlischen (ist das ein Verb?) und dann sind sie vermeintlich tot. Ich habe erlebt, dass man Erinnerungen wieder zum Leben erwecken kann. Ein Geruch, eine Lichtstimmung genügt oder natürlich die Erzählung von anderen Peronen von Etwas, was man längst vergessen glaubte und dann ZACK ist alles wieder da. Manchmal habe ich die Hoffnung, dass mein Tod auch so ist, wie eine Erinnerung die erlischt und wenn andere Personen über mich sprechen, dann komme ich zurück.

Na jedenfalls beim Suchen des Filmes habe ich über die Vorstellungen zu Tod oder Sterben und zum Orgasmus nachgedacht. Nicht selten werden sie künstlerisch - wie eben bei Ozons Kurzfilm - miteinander in Zusammenhang gebracht. Der kleine Tod soll also den Organsmus bezeichnen. Na fein.

In den Vorstellungen des Buddhismus durchläuft der Mensch im Orgasmus dieselben Bewusstseinsphasen wie während des Sterbens. Stell dir das vor? Die im Tantra-Yoga gelehrten Konzentrationstechniken basieren auf der Vorstellung von „acht Phasen der Auflösung“, die während des Orgasmus in kurzer Abfolge durchlaufen werden. Dabei geht es im Wesentlichen um die Übung, sich von dem euphorischen Erleben nicht überwältigen zu lassen, sondern bewusst zu bleiben und so das Orgasmuserleben teilweise zu steuern. Nach tantrischer Auffassung wird dadurch die Wahrscheinlichkeit erhöht, während des Sterbeprozesses ebenso bewusst bleiben zu können und sich der Befreiung vom stofflichen Körper einverständig hinzugeben. Einverständig. Das ist eine Vision. Eine Idee. Eine Hoffnung.

Ich suche weiter. 

Drücke mir die Daumen und pass auf dich auf.

Deine S.

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