BRIEF#41
Lieber A, deine S
Lieber A.,
ich konnte dir nicht schreiben, obwohl ich wollte. Ich hatte eine regelrechte Blockade. Nichts ging. Ein Gedankenstrudel hat mich in die Tiefe gerissen, ich konnte mich nicht befreien. Ein Mann hat zwei Menschen in einem Zug getötet. Erstochen. Kein Motiv. Es waren Kinder. Ich komme nicht darüber weg. Wehrlose. Unschuldige. Kinder. Das unendliche Leid der Opfer. Die unbeschreibliche Trauer der Hinterbliebenen. Die Sinnlosigkeit der Tat. Die Unwiederbringlichkeit des Lebens, die der Tot nun einmal ist.
Die Zeit heilt alle Wunden. DAS STIMMT NICHT! Die Zeit macht, dass man nicht alle Wunden sieht. Manche verheilen. Andere werden zu Narben. Wieder andere Wunden verstümmeln Menschen, machen sie zu Krüppeln, zu Verwundeten, zu Versehrten, zu Invaliden. Die Zeit kann nicht alle Wunden heilen, das ist nicht wahr. Es ist nicht wahr. Es ist verdammt noch einmal nicht wahr.
Ich wünsche mir und Dir, dass wir Glück haben. Dass wir nicht zu Invaliden werden.
Pass auf Dich auf.
Deine S.
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