BRIEF #40
Liebe S, Dein A
Liebe S.,
ich sitze hier vor Stapeln von Briefen. Trauerpost, die es zu lesen und zu verdauen gilt. Der Abschied hat viele Facetten. Das handgeschriebene Wort ist eine sehr verbindende. Die Schreiben sind so verschieden und einzigartig wie die Menschen.
An das Trauerhaus. An die Trauerfamilie. Ich habe quergelesen, tiefgelesen und leergelesen. Ich habe verschlungen. Und beiseite gelegt. Schließlich wieder zur Hand genommen. Tatsächlich sind die zahllosen Briefumschläge und deren Inhalt wie ein Puzzle.
Es finden sich Erinnerungen, an gemeinsame Zeiten im Laufe des Lebens. Würdigungen für Geleistetes, Dankesworte für Empfangenes. Vor allem aber wohlgewählte Worte über den Menschen als Mensch. ‚Menschenfreund‘ hat mir besonders gefallen.
Und da sind die vielen Grüße und trostgebenden Worte, die sich an uns, die Hinterbliebenen, richten. Worte, die Verbundenheit zum Ausdruck bringen. Wie gut sie tun in der Stimmung des Abschieds. ‚Voller Zuversicht und Dankbarkeit‘ wollen wir allen antworten. Aber das wird noch ein paar Tage dauern.
Ich weiß wie schwer es sein kann, die richtigen Worte zu finden. Wir beide wissen es. Und ich freue mich für jeden, der die Ruhe und die Stärke findet, persönliche Zeilen auf den Weg zu bringen. Dies ist ein Hohelied auf das Schreiben. Gerade in außergewöhnlichen Zeiten. Auf die wohlbedachte Aufmerksamkeit, die in jedem Satz steckt, der eben darum so wertvoll wird. Tatsächlich habe auch ich meiner eigenen Tochter dieser Tage einen Brief zum Ableben ihres Opas geschrieben. Sie hat ihn zur Verwahrung in ihre wichtige Kiste getan.
Zur Trauerfeier war ein Ehepaar aus der Ferne angereist. Sie hatte meinem Vater in den letzen Jahren immer wieder wunderbare Brief geschrieben, nicht zu kurz und nicht zu lang, in denen Sie sich nach ihm erkundigte und von ihrem Alltag berichtete. Stets und gerne habe ich mitgelesen und mich an der heimeligen Wirkung der Post erfreut. Ich würde mich auch über einen Brief freuen, so sie denn mal wieder einen schreiben wolle, habe ich sie bei der Verabschiedung wissen lassen. Aber ich bin mir nicht sicher, ob sie das ernst genommen hat.
Ich denke an Dich und möchte Dir versichern, für Dich da zu sein wann immer Du mich brauchst. Ich schicke Dir Kraft und eine feste Umarmung.
Kennst Du diese Zeilen? Es sind Deine. Ich danke Dir von Herzen. Ich weiß, dass Du da bist.
Dein A.
Vorheriger Brief:
Nächster Brief:
Projekte
Briefe vom Anfang über das Ende
- Andreas Kaufmann
- Sabrina Zwach
- Luise Wilhelm
Ein fiktionalisierter Briefwechsel über den Tod und das Sterben von Andreas Kaufmann und Sabrina Zwach