Lieber A.,

Herbstzeit ist Pilzzeit.

Ich liebe es durch die bunten Wälder zu laufen, das Rascheln der Blätter bei Schritt und Tritt, den Geruch nach Moder und Pilz. Die Winterjacke ist gerade aus dem Schrank geholt worden und bei diesen Spaziergängen noch ein bisschen zu warm. Konzentriert heftet sich der Blick auf den Waldboden und sucht und sucht und wenn er dann den hellen oder braun-glänzenden Kopf eines Pilzes ausmacht, ist die Freude groß. Der Herbst wird oft als Analogie zum Lebensende gesehen, Melancholie liegt über den schönsten Abbildungen des bunten Blätterballetts. Mir ist selten melancholisch zumute. Ich denke da eben viel zu oft an Pilze!

Nun habe ich gelesen, dass der Architekt und Erfinder Bob Hendrikx aus den Niederlanden eine geniale Idee hatte, die Pilze und Sterben - oder vielmehr Pilze und das Verwesen des menschlichen Körpers - miteinander verbindet. Da bin ich natürlich hellhörig geworden und möchte dir nun berichten:

Bob hat nämlich einen Sarg aus Pilzen erfunden! Das Material fühlt sich leicht, weich und warm an und sieht auf den ersten Blick wie Styropor aus. Die Erfindung zersetzt den Körper schnell und verwandelt ihn zu wertvollem Kompost. Beim Wachstumsprozess des Sargmaterials entsteht kein CO2, während der Kompostierung werden Giftstoffe neutralisiert und der Boden regeneriert. Das geschieht aufgrund des unterirdischen Wurzelgeflechts von Pilzen. Dieses Netzwerk aus in Europa heimischen Pilzen wird direkt in einer sargähnlichen Passform in sieben Tagen ohne Einsatz von Wärme, Strom und Licht hergestellt und dann getrocknet, womit das Wachstum sozusagen unterbrochen wird.

Kommt das Material mit feuchter Erde in Berührung, erfolgt eine Wiederbelebung. Der weißgraue Pilzsarg ist superleicht, kann aber ein Gewicht von bis zu 200 Kilogramm tragen und löst sich zusammen mit dem Inhalt in wenigen Monaten auf. Ausgekleidet ist er mit Moos oder mit Leinen. Bob lässt sich selbst auch in einem seiner Pilz-Särge beerdigen, wenn es so weit ist. "Living Cocoon" nennt er die Särge.

Ich bin begeistert und freue mich noch mehr, wenn ich in diesen Tagen durch den Wald stapfe. All die Pilze, die ich stehenlassen muss, weil sie nicht essbar sind, sind ab jetzt für den Sarg bestimmt. Herbstzeit ist Pilzzeit. Sag ich doch!

Sei ganz herzlich gegrüßt und pass auf dich auf!

Deine S.

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