Lieber A.,

ich schreibe Dir aus Hamburg. Hier habe ich einen Friedhof gefunden, auf dem man mit oder neben seinem Haustier die letzte Ruhe finden kann. Vorausgesetzt, man hat nicht mehrere Pferde oder andere große Tiere. Hund oder Katze gehen: Die treuen Weggefährten gelten als Grabbeigabe und werden in einer Urne beigesetzt. Ihre Einäscherung erfolgt in einem Tierkrematorium. Ich habe Dir ein Foto beigelegt. Da ist eine Frau Hansen gestorben und mit ihr liegt MINOU im Grab, ich tippe, es handelt sich dabei um eine Katze.

MINOU

Als ich deinen letzten Brief erhalten und gelesen hatte, in dem du so schön von deinen Wander-Reisen berichtet hast, habe ich daran gedacht, dass manche Leichen lange unterwegs sein müssen, bevor sie ihre letzte Ruhe finden. Gerhart Hauptmann zum Beispiel:
Am 6. Juni 1946 starb der deutsche Dichter im schlesischen Agnetendorf. Sein Tod kam nicht unerwartet, Hauptmann war schon längere Zeit krank. Fast 8 Wochen später, am 28. Juli 1946 wurde er jedoch erst auf Hiddensee begraben. Seine Witwe transportierte den Sarg unter absonderlichen Bedingungen bis zur Insel.

Weniger prominent, aber dennoch für mich von besonderer Bedeutung ist die letzte Reise meines Bruders:
Er verstarb in Honduras. Seine Witwe entschied, dass er in Deutschland, in Lahr im Familiengrab seine letzte Ruhe finden sollte. So machte sie sich mit ihm auf die Reise. 5 Tage war sie unterwegs. Mein Bruder reiste in einem Zinksarg. Seine Frau kontrollierte in jedem Flugzeug, das sie mit ihm bestieg, ob er richtig untergebracht war. In Deutschland angekommen, wurde er von einem Bestatter abgeholt und in einen Holzsarg umgebettet. Der Sarg stand dann in der Kapelle. Geschlossen. Bei der Trauerfeier saß ich neben seiner Frau. Sie stupste mich, als wir gerade Platz genommen hatten, in die Rippen und fragte mich, ob ich wirklich überzeugt sei, dass mein Bruder im Sarg liegen würde. Ich verstand die Frage gar nicht. Sie deutete auf den Sarg und sagte: "Er war doch viel größer". Ich fragte nach, wußte nicht was sie befürchtete. "Die haben die Beine abgeschnitten, die Füsse mindestens, damit er in den Sarg passt!" sagte sie. Ich wußte nicht, ob ich nun lachen oder weinen sollte. Die Frau meines Bruders schüttelte den Kopf und schluchszte in sich hinein. Bevor wir das weiter besprechen konnten, begann die Trauerfeier. Der Sarg blieb geschlossen. Mein Bruder wurde beerdigt. Ich bin oft an seinem Grab. Ich bin mir sicher, dass er unversehrt beerdigt wurde, in voller Länge.

Ich grüße dich ganz herzlich aus Hamburg.
Pass auf dich auf!
S.

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