Liebe S.,

ich war in den Bergen. Gemeinsam mit zwei Freunden habe ich eine Hüttentour in den Alpen gemacht. Seit Jahren gehören diese wenigen, aber intensiven, Sommertage in der Höhe, zum Liebsten, was ich erleben darf. Die Luft. Das Licht. Der Blick. Die Weite. Ich kann Dir nicht sagen, wie ergreifend das ist. Nie bist Du dem Himmel so nah. Also ohne Flugzeughülle. Dieses Gefühl, gemeinsam einen Gipfel erstiegen haben und ganz weit weg zu sein von allem da tief unten. Am guten Ende einer Tagestour an einer Hütte anzukommen. Dort das erste verdiente Bier zu trinken. Die wohlige Erschöpfung nach vielen Höhenmetern, auf und ab und auf und ab. Die Nacht im Bettenlager.

In den Bergen

In den Berge sind die Freunde ganz nah beisammen. Und trotzdem geht jeder für sich. Dein Kopf ist voll und Dein Kopf wird frei.

Vor allem aber ist das Menschlein klitzeklein. Das Bergmassiv ist groß und hart. Schwindelfrei sollst Du sein, Trittsicherheit ist unabdingbar, alpine Erfahrung je nach Route wichtig. Und Kondition. Aber auch dann ist das Touren nie gänzlich ohne Gefahren. Jeder Schritt muß sitzen. Du kannst Dich sichern, um die vermeintliche Sicherheit zu erhöhen. Aber es gibt Stellen, an denen mußt Du gehen, wenn Du weiterkommen willst. Du bist fokussiert, die unbedingte Konzentration im Extremen ist beeindruckend. Denn es ist Dir klar, dass ein falscher Schritt das Ende sein kann. Mit jedem Tag in den Bergen wächst, wenn Du es richtig bedenkst, der Respekt.

Ob davon die traurigen Berglieder erzählen, die uns die Hüttenfreunde vom Club Alpino Italiano am Abend in der Stube vorgesungen haben? Bewegte Männerstimmen mit inbrünstigem Timbre. Einer war mit großer Geste der Dirigent. Traurig schön. Und doch so wärmend.

Nun, wenig später, bin ich am Meer. Auch über das Meer gibt es so viel zu fühlen. Über das Meer. Über die Wellen und den Horizont. Und über das Meer und den Tod.

Aber davon vielleicht ein ander mal.

Dein A.

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