BRIEF #125
Liebe S., Aber dann beginnt das Vergessen. Oder Verdrängen. Oder Erinnern. Dein A.

Liebe S.,
was bleibt, frage ich mich immer wieder.
Gerade jetzt im Frühling. Wenn das Osterfest naht. Wenn ich das Gefühl habe, dass wieder besonders viele verschwinden. Keiner kommt zurück wie Jesus.
Also was wird wohl bleiben? Und wie lange?
Die Todesursache ist die letzte Nachricht und der erste Puffer. Je unnatürlicher, desto mehr zehrt das Gerede davon. Ein Unfall, eine Krankheit. Von eigener Hand oder einfach nur alt. Aber dann beginnt das Vergessen. Oder Verdrängen. Oder Erinnern.
Was also bleibt? Woran werden sich die Menschen erinnern. Die, die einem nahe standen. Und die, die einen zu kennen glaubten. Was konnte man Anderen mit auf den Weg geben? Wohl wissend, dass jeder sein eigenes Leben leben muss.
Was hat man geschafft oder geschaffen? Was hat man besser gemacht? Woran ist man gescheitert? Wie ist man gewachsen? Was war wichtig? Und warum?
Vielleicht ist das der richtige Moment, zu sinnieren, wie es denn einmal sein sollte.
Fragen, auf die zu antworten, schwer fällt. Weil sie so grundlegend sind. Nicht zuletzt für das Leben.
Am Ostersonntag werde ich wieder früh und für mich der Matthäus-Passion von Johann Sebastian Bach lauschen. Wie in jedem Jahr.
Und danach : Aufstehen.
Nachdenklich und herzlich,
Dein A.
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