Lieber A.,

jetzt ist schon wieder was passiert, würde Wolf Haas schreiben und einen Kriminalroman beginnen, aber hier schreibe ich dir lediglich:

Der Pabst ist tod.

Stell Dir vor: Theoretisch könnte jeder getaufte männliche Katholik zum Papst gewählt werden. Theoretisch eben, denn seit 700 Jahren stammt der Papst aus dem Kreis der Kardinäle. Wahlberechtigt sind wiederum nur Kardinäle unter 80 Jahren – etwa 120 Kuttenträger in Purpur (wir haben es gerade in Konklave im Kino sehen können) geben ihre Stimme ab, indem sie den Namen ihres Kandidaten auf einen Zettel schreiben und diesen in einen Kelch auf dem Altar legen. Erhält kein Kandidat die erforderliche Zweidrittelmehrheit, folgt eine neue Abstimmungsrunde. Pro Tag können bis zu vier Wahlgänge stattfinden. Das steht also nun an. Vielleicht nicht ganz so dramatisch zugespitzt, wie im Kino? Aber wer weiß?

Zunächst musste der gute Papst jedoch sterben und das hat mich schon immer fasziniert, also nicht das Sterben, sondern die Beglaubigung des Todes. Nach dem Tod von Papst Franziskus mit 89 Jahren setzt ein präzise choreografiertes Zeremoniell ein, das Tradition und gleichzeitig persönliche Wünsche vereint. Es geht so:

Der stellvertretende Staatssekretär informiert zunächst den den päpstlichen Kämmerer über das Ableben des Kirchenoberhaupts. Diesem obliegt die offizielle Feststellung des Todes, die er im Beisein des Sekretärs und des Kanzlers des Apostolischen Palastes vornimmt. Während früher der Kämmerer dem Verstorbenen mit einem silbernen Hammer auf die Stirn schlug und ihn beim Namen rief, ist diese Prozedur heute nur noch ein Formalakt, da Ärzte den Tod bereits bestätigt haben. Anschließend erstellt der Kanzler ein offizielles Dokument über das Ableben des Papstes. Das mit dem Silberhammer, das ist es, was mich fasziniert. Stell dir doch vor, da kommt einer an Dein Bett und klopft dir mit dem Hämmerchen auf den Kopf und brüllt deinen Namen und du bist nicht tod, aber immerhin der Papst. Was sagts du dann?

Naja, wie dem auch sei, der Kämmerer versiegelt umgehend die päpstlichen Gemächer und übernimmt die Kontrolle über die Immobilien. Die Todesnachricht wird an alle relevanten Kircheninstanzen und die Vatikanstadt gemeldet, da der Papst auch Staatsoberhaupt ist. Dann wird ein Tor geschlossen – wo genau hab ich nie verstanden – und die Glocken läuten und verkünden den Tod.

Nach der offiziellen Identifizierung wird der Leichnam für die Aufbahrung vorbereitet. Die Ärzte kleiden den verstorbenen Papst in die traditionellen Gewänder. Drei Tage lang wird der Leichnam im Petersdom aufgebahrt, damit die Gläubigen Abschied nehmen können. Neun Tage lang zelebrieren die Kardinäle Trauermessen für den verstorbenen Papst. In der Zeit zwischen Tod und Neuwahl übernimmt das Kardinalskollegium die Leitung der Kirche und führt die laufenden Geschäfte weiter. Jetzt kommts: Zu den Aufgaben gehört auch die Zerstörung des „Fischerrings" auch wieder mit einem silbernen Hammer. Jeder Pabst bekommt dann wieder einen solchen neuen angefertigt. Ist das nicht irre?

Die Begräbnisfeierlichkeiten finden innerhalb von vier bis sechs Tagen statt. Der Trauergottesdienst im Petersdom, in dessen Krypta der verstorbene üblicherweise beigesetzt wird.

Franziskus hat jedoch geäußert, dass er in der Basilika Santa Maria Maggiore in Rom beigesetzt werden will. Damit wird er der erste Papst seit einem Jahrhundert sein, der außerhalb des Vatikans ruhen wird.

Zwei bis drei Wochen nach der Beerdigung versammelt sich das Kardinalskollegium in der Sixtinischen Kapelle zur päpstliche Wahlversammlung.

Das ist ja alles ganz schön viel, nicht? Aber vielleicht brauchen Gläubige diese Tradition, diese Rituale und die Choreographie, um mit der Trauer, der Endlichkeit, dem verlust klar zu kommen. Ich kann auf diesen Tod ganz distanziert blicken, er ist weit weg von mir, von meinem Denken und Fühlen. Ich kann mir fasziniert den Tanz ansehen und staunen. Was denkst du? Wird der nächste Papst ein Erneuerer oder ein Bewahrer? Was denkst du? Wann wird die erste Frau zur Päpstin gewählt? Oder aber, wann wird es keine Religionen mehr geben? Ist das zu viel Phantasie?

Pass auf Dich auf!

Deine S.

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