BRIEF #106
Lieber A., Deine S.
Lieber A.,
vor ein paar Tagen habe ich eine Frau getroffen, die mir für unseren Briefwechsel dankte.
Sie sagte, sie lese die Briefe jede Woche und es seien für sie Trost-Häppchen, die ihr Kraft geben.
Ich habe über Trost nachgedacht.
Sehnen wir uns nicht alle genau danach? Nach Trost.
Nach der tröstenden Umarmung, dem tröstenden Blick.
Nach dem Gespräch. Nach dem Gedanken. Nach dem Erlebnis, sei es eine Reise, das Betrachten eines Kunstwerkes oder dem Klang der Vögel am Frühlingsmorgen?
Tröstet uns die Träne im Auge des Gegenübers, wenn wir etwas erzählen, was uns belastet und die Träne plötzlich zu einem emphatischen Ozean wird?
Würden wir nicht nach Trost suchen, würden wir dann überhaupt so sozial sein, ständig unterwegs und draußen? Wären wir zufrieden und bei Trost, wären wir dann nicht ganz einfach zu Hause auf der Couch?
Was denkst du?
Was tröstet dich und bist du bei Trost?
Ich sende dir viele Grüße augenblicklich aus Wien.
Pass auf dich auf.
deine S.
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Briefe vom Anfang über das Ende
- Andreas Kaufmann
- Sabrina Zwach
- Luise Wilhelm
Ein fiktionalisierter Briefwechsel über den Tod und das Sterben von Andreas Kaufmann und Sabrina Zwach