BRIEF #103
Liebe S., Dein A.
Liebe S.,
Jimmy Carter ist vor Kurzem 100 Jahre alt geworden. Er war von 1977 an eine Amtszeit lang Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Seine Präsidentschaft wird im Rückspiegel der Geschichte gerne als gescheitert betrachtet. Beim Versuch, wiedergewählt zu werden, unterlag der Demokrat Carter, stets als nachdenklich charakterisiert, krachend seinem kraftstrotzend optimistischen Widersacher Ronald Reagan. Mit diesem zog für acht Jahre ein Republikaner ins Weiße Haus ein.
Carters große Zeit kam erst nach seinem Auszug aus dem Oval Office. Er engagierte sich für Menschenrechte und Demokratie und machte sich als Vermittler bei internationalen Krisen einen Namen. Für sein Tun als Privatmann wurde ihm 2002 der Friedensnobelpreis verliehen.
Nun hat Jimmy Carter gewählt. Sein letzter Wunsch sei es, sagte er kurz vor seinem großen Geburtstag, bei der anstehenden Präsidentschaftswahl seine Stimme für Kamala Harris abgeben zu dürfen und hoffentlich zum Sieg der demokratischen Bewerberin beitragen zu können. Darum hat er seinen Stimmzettel nun am erstmöglichen Tag per Briefwahl abgegeben. In seinem Heimatstaat Georgia ist der Urnengang für die Wahl im November bereits möglich. Ein letztes wichtiges Handeln, das Wahrnehmen des demokratischen Wahrechts, verbunden mit der innigen Hoffnung das Abstimmungsergebnis werde gut für das Land und gut für den Rest der Welt sein. Erst später werden wir wissen, ob Carter den Ausgang der Wahl noch verfolgen konnte.
Witzigerweise muss ich jedes Mal beim Verzehr von Erdnüssen an Jimmy Carter denken. Diese Erinnerung wird ihn überleben. Mich nicht mehr.
Gespannt wie alle, die nach Amerika blicken,
Dein A.
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