Liebe S.,

wieviele unzählige Tode, wie viele Leichen, haben wir nicht schon auf dem Bildschirm gesehen, auf der Leinwand, auf der Theaterbühne. Dokumentierte Tötungen oder inszenierte Morde, natürliches Sterben und Trauerfeiern nach Drehbuch. Aber alles entfernt, nicht bei uns, nicht spürbar. Wegzuzappen. Der Sicherheitsabstand, der zwischen uns und den Nachrichten und der Fiktion gehalten wird, läßt dieses informative oder unterhaltsame Sterben nur bedingt an uns heran. Wir haben uns im Laufe unseres langen Lebens an die Inszenierung des Todes gewöhnt. Und wir machen uns tatsächlich selten einen Kopf darüber, wieviele Leichen schon unseren Weg gepflastert haben.

Gestern habe die x-te Folge einer amerikanischen Serie angeschaut, in der sich alles um Geldwäsche und Drogen und Mord und Totschlag dreht ( gibt es eigentlich noch was anderes ? ). Mit schöner Regelmäßigkeit wird eine der Figuren um die Ecke gebracht, ermordet, abgeknallt, ausgelöscht. Denken wir uns etwas dabei ? Gestern nun musste eine Leiche vom Erdboden verschwinden, also hat man sie im Hinterzimmer eines Beerdigungsinstitutes eingeäschert, ehe sich jemand wundern mochte. Der tote Körper, zu Transportzwecken handhabbar eingewickelt, wurde in den Ofen geschoben und auf Knopfdruck haben die sich die Flammen des Leichnams bemächtigt. Schnitt. Die Asche, ganz hellgrau, wurde in einen Klarsichtplastikbeutel abgefüllt, dieses Bündel dann in einen brauen Stülpkarton von handlicher und passender Größe gepackt. Schnitt. Diese Schachtel steht seitdem bei der Familie der Schwester des Opfers. Natürlich hatte diese Schwester beim unfreiwilligen Ableben ihres Bruder selbst die Hände mit im Spiel - aber das nur nebenbei.

Wichtiger ist mir dieser Pappkarton. Die Urne. Dieses Häuflein Asche, das übrig bleibt von einem Körper, der sich durchs Leben geschleppt hat. Und wo bleibt alles andere ? Das, was Du die Seele nennst ? Wahrscheinlich macht uns das bei der Auseinandersetzung mit dem eigenen Ende am meisten zu schaffen : Wir wissen nicht, wo es hingeht. Also schauen wir uns weiter das Streben der Anderen an. Zur Besinnung und zum Zeitvertreib.

Von Herzen,

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