Lieber A.,

eine Freundin von mir ist gestorben, eine Bekannte, überraschend, aus dem Leben gerissen.

Plötzlich wird man angerufen, erhält eine Nachricht, eine SMS. Eine Schrecksekunde, ein ausbleiben des Herzschlags und dann ist die Nachricht da und in der Welt.

Und dann setzen diese immer gleichen Gedankenketten ein: Wie? Warum? Wo? Wer war bei ihr? Wie müssen die letzten Stunden gewesen sein? Hat sie es bemerkt?

War es ein schöner Tod oder gar ein Gewaltsamer? Was war die Ursache? Wie alt war sie und wie alt ihre Kinder? War es tagsüber oder nachts? Ein Unfall?

Wann haben wir uns zuletzt gesehen und wo? Was haben wir gesprochen?

Und dann irgendwann setzte ich mich ins Verhältnis: Wie nah standen wir uns? Was ist nun angemessen? Wie soll ich reagieren? Waren wir Freunde?

Und dann kommt die Phase des Realisierens, die Erkenntnis dieser Endgültigkeit. Kein Gespräch wird nun mehr stattfinden, kein Austausch, kein sich auf einer Premiere zuwinken, keine Verabredung. Jetzt ist da eine Lücke, ein Platz ist leer und wird nicht mehr besetzt werden können. Ein Platz in meinem Leben. Und jeder Mensch hat – je älter er oder sie wird – so und so viele leere nicht mehr zu besetzende Plätze um sich. Diese Leerstellen werden immer mehr und das Bild wird immer bedrückender.

Und damit sitze ich nun in der Frühlingssonne, lieber A., und versuche ruhig zu bleiben.

Ich bin froh, dass du da bist, auch wenn Du weit weg bist. Und ich hoffe, dass um mich herum noch lange nicht so viele leere Plätze sind. Das hoffe ich jeden Tag.

Sei umarmt und pass auf Dich auf.

Deine S.

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