Liebe S. 

seit dem Tod meines Vaters sind nun mehr als 9 Monate ins Land gegangen. Und seine Wohnung ist noch immer seine Wohnung. Wir haben vor einiger Zeit angefangen, uns auf Hab und Gut, auf die Zimmer, auf die Erinnerungen einzulassen. Wenn einer nicht mehr ist, geht es ans Aufräumen. 

Jeder Gegenstand, den wir anfassen, fordert eine Entscheidung. Wollen wir die Fotos archivieren, die wir in Kartons gesammelt haben? Was geschieht mit all den Büchern und Büchern und Büchern? Wie sollen Dokumente aufbewahrt werden? Wer kann die Möbel gebrauchen? Und wohin mit den Hemden, Hosen und Krawatten?

Am Ende läuft alles auf Bewahren oder Entsorgen oder Gutes tun hinaus. Das mag trivial klingen, ist es aber nicht. Denn irgendwann sollte alles weg sein.

Mein Vater hatte seine Sachen fein säuberlich geordnet. In seinem ganz eigenen System. Und er hatte von allem viel zu viel. Er hat gesammelt und aufgehoben und sich tatsächlich von so gut wie nichts getrennt.

Je tiefer ich mich in dem Durcheinander bewege, das wir angerichtet haben, umso mehr realisiere ich, wieviel von meinem Vater in mir steckt. Und denke an meine eigenen Habseligkeiten, an das, was ich angehäuft habe. Und dann drängt es mich fast, bei mir weiterzumachen, auszumisten, aufzulösen, wegzutun. Und räume in Gedanken alles leer. Auch ich habe viel zu viel. Merke wie wenig so wichtig ist, wie ich immer dachte. Sogar die Souvenirs. Und zuletzt alle Notizen. Am Ende sehe ich mich dastehen, nur mit einer Tasche in der Hand. Und es fühlt sich ordentlich an. 

Raus an die Luft. Ich will einen klaren Kopf bekommen. Die Sonne lacht dazu. Das hatte ich vergessen. Daheim hat der Postler ein Paket auf die Treppe gestellt. Mailordermagic. Drin ist ein Stapel neuer T-Shirts. Kann man immer gebrauchen. Zum Glück.

Dein A.

Nächster Brief:

BRIEF #56

Letzter Brief:

BRIEF #54