BRIEF #52
Liebe S, Dein A
Liebe S.,
in der Nacht habe ich schlecht geschlafen. Das passiert mir nicht selten. Nach einem ereignisreichen Tag in der Natur bin ich früh zu Bett gegangen und an der Seite meiner großen Tochter eingeschlafen. Nach Mitternacht war ich wieder wach.
Und dann war alles da, was mir das Leben schwer macht. Das Unerledigte, die Fehler, große und kleine, Unausgesprochenes, die gesammelten Sorgen, sämtliche Unzulänglichkeiten. Sie tanzten Ringelreihen hinter meinen geschlossenen Augen und neckten mich bis jeder einmal dran war.
Mein Versuch, an etwas Besseres zu denken, wenn man da von Denken sprechen kann, scheiterte krachend. Denn gleich war ich beim Tod gelandet, der es nicht besser mit mir meinte und mich mit bunten Bildern und dunklen Worten plagen wollte.
Endlich fiel mir dieser Song von ‚The Cardigans’ ein, den ich so gerne höre. Weil er zu einer Nacht wie dieser gehört.
Als ich die Augen in der Dunkelheit öffnete und nach meinem Mobiltelefon griff, um die Lyrics zu lesen, stand auf dem Display die Uhrzeit: 16 Minuten vor 04:00.
Das Lied heißt ‚03.45: No sleep‘.
Die hübsche Frauenstimme über der reduzierten Instrumentierung habe ich mir ausgemalt. Ich wollte mein Mädchen, das mit ruhigem Atem friedlich neben mir schlief, nicht wecken.
Aber den Refrain bin ich bei gedimmtem Bildschirm zahllose Male durchgegangen. Er hat mich befriedet. Und irgendwann bin ich endlich eingeschlafen.
And if I had one wish fulfilled tonight
I‘d ask for the sun to never rise
If god lent his voice to me to speak
l‘d say: „Go to bed, World“
Guten Morgen,
Dein A.
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Ein fiktionalisierter Briefwechsel über den Tod und das Sterben von Andreas Kaufmann und Sabrina Zwach