BRIEF #128
Lieber A., Was wissen Tiere vom Tod? Deine S.

Lieber A.,
kürzlich sah ich auf einer langen Autofahrt tote Tiere am Straßenrand. Mehrere. Immer wieder.
Seit meiner Kindheit bin ich bei jeder neuen Tierleiche, die ich im Vorbeifahren erfasse, traurig, ein bißchen schockiert sogar.
Früher habe ich immer sofort weggesehen, wie im Kino, wenn eine gruselige oder ekelige Stelle kam.
Heute sehe ich hin. Zwinge mich dazu.
Und nun, eben kürzlich, als ich bei einer langen Autofahrt wieder einmal eine Tierleiche sah, es war ein Fuchs, habe ich gesehen, dass ein zweiter, lebendiger Fuchs ganz in der Nähe stand und erst den toten Kollegen und dann mich – ich bilde es mir vielleicht ein – ansah.
Und dann habe ich mich kürzlich auf der langen Autofahrt das erste Mal gefragt, ob Tiere ein Bewußtsein vom Tod haben?
Wissen sie, was der Tod ist? Wissen sie, dass sie sterben werden? Wissen sie, dass der Kollege am Straßenrand gestorben ist?
Ich habe nachgelesen, dass manche Tiere ihre toten Babys für eine ganze Zeit mit sich herumtragen. Dass sie sie nicht einfach liegen lassen.
Ich habe nachgelesen, dass andere Tiere ihre sterbenden oder kranken Babys liegen lassen und sich nicht um sie kümmern, gerade weil sie todkrank sind. Ich habe nachgelesen, dass es so etwas wie Trauer oder Traurigkeit über einen Verlust bei Tieren gibt. Ich konnte mir aber abschließend keinen Reim machen und nun schreibe ich und frage dich:
Was wissen Tiere vom Tod?
Weißt du etwas darüber?
Pass auf dich auf!
Deine S.
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Ein fiktionalisierter Briefwechsel über den Tod und das Sterben von Andreas Kaufmann und Sabrina Zwach