BRIEF #110
Lieber A., Deine S.
Lieber A.,
in diesen Tagen vor Weihnachten ist mir manchmal schwer ums Herz.
Ich – du weißt es ja – liebe Weihnachten. Ich liebe es einfach.
Dann – zwischen Plätzchenbacken und Geschenke verpacken und größter Vorfreude – denke ich an die Menschen die sterben, die im sterben liegen und an die Angehörigen und den Schmerz, der natürlich auch in diesen Tagen nicht ausbleibt.
Gerade vor ein paar Tagen ist eine Tante von mir gestorben. Sie und der Ort der Bestattung sind so weit entfernt, dass ich nicht zur Beerdigung gehen werde.
Und doch habe ich über die Bestattung im allgemeinen und speziellen nachgedacht. Dies Ritual, in dem wir uns von geliebten Menschen verabschieden, in dem wir tote Menschen – traditionell – in der Erde verbuddeln.
Es hat etwas mit der Sesshaftigkeit zu tun. Nur, wenn man an einem Ort bleibt, kann man diesen auch für die Toten einrichten. Und dann hat es etwas damit zu tun und das ist viel Wichtiger, dass wir an die unsterbliche Seele glauben. Wenn wir das nicht täten, dann könnten wir die "leere Hülle" ja anders behandeln? Ich denke, dass dies wichtige Errungenschaften waren, zu denen wir Menschen erst gefunden haben?
Der Gedanke hat mich wieder ein bisschen beruhigt.
Es bleibt etwas zurück. Es bleibt etwas in der Welt. Egal was wir tun.
Und dann bin ich gedanklich wieder zum Weihnachtsfest gewandert. Ich bin ja nicht religiös, nicht religiös erzogen und nicht in der Kirche und dann habe ich mich gefragt, ob wir eigentlich sündigen sollten, damit Jesus nicht umsonst gestorben ist?
Aber was ist das heute schon, sündigen?
Weißt du es?
Ich schicke Dir die allerliebsten Grüße und wünsche Dir ein frohes Fest und das beste für 2025.
Sei umarmt und pass auf Dich auf.
Deine S.
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Ein fiktionalisierter Briefwechsel über den Tod und das Sterben von Andreas Kaufmann und Sabrina Zwach