BRIEF #89
Liebe S., Dein A.
Liebe S.,
es wird an allen Tagen gestorben. Und in jedem Haus. Du bist auf der Straße der Erledigung eines Todes begegnet.
Es gibt Häuser, in denen häufiger gestorben wird als in anderen. In Hospizen, in Pfegeheimen, in Krankenhäusern. Dort müssen die Räume hernach rasch für eine Anschlussverwendung hergerichtet werden. Den Angehörigen bleibt vielleicht eine Zimmernummer im Gedächtnis.
Es können aber einfach Ortsnamen sein, die wirken, Hotelzimmer, Kreuze am Straßenrand oder Schlachtfelder.
Ein Zimmer daheim, in den eigenen vier Wänden oder bei Angehörigen spendet wohl die wärmste Intimität. Du hast eine bleibende Erinnerung an das sogenannte Sterbezimmer bei uns zu Hause. Mein erster Toter war in unserer Wohnung aufgebahrt, wenngleich in einem anderen Zimmer. Ich war damals nicht ganz 10 Jahre alt und habe den Anblick des wachsblassen Großvaters im Sarg lange mit mir herumgetragen. Diesen besagten Raum habe ich noch gefühlte Ewigkeiten danach nur pfeifend oder mit mit einem Lied auf den Lippen betreten. Um mir Mut zu machen. Will sagen, der Tod daheim wirkt für die Hinterbliebenen, die dort ihr Leben fortführen, intensiver nach.
Nach der Leichenschau durch einen Mediziner, der offiziellen Feststellung des Todes und schließlich der Abholung des Verstorbenen, kehrt eine eigenartige Ruhe ein.
Die Bilder bleiben lebendig.
Always look on the bright side of life,
Dein A.
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Ein fiktionalisierter Briefwechsel über den Tod und das Sterben von Andreas Kaufmann und Sabrina Zwach